Entmündigung der Mütter: Erzwungene Vaterschaftsangabe

Die soziale Rolle des Vaters in der patriarchalen Kleinfamilie hat sich als instabiler erwiesen als beispielsweise die des Mutterbruders in matrilinearen Gesellschaften. In diesen gibt es auch keine Vaterschaft und die damit verbundenen rechtlichen Folgen. In Deutschland werden Väter in die Geburtsurkunde eingetragen und sind ab diesem Moment zur Unterhaltzahlung für ihre Kinder verpflichtet. Dieses System kann zu vielfältigen Problemen für eine Mutter führen, wenn sie den Zeugungsvater nicht bekannt geben kann. Bei Bezug von Sozialleistungen steht die sogenannte Mitwirkungspflicht dem Datenschutz entgegen, obwohl Privatdaten eigentlich schützenswert sind. „Aus dem verschwiegenen Wissen aber, das die Natur ihnen geschenkt hat, (…) darin besteht die einzige Möglichkeit mütterlichen Widerstands gegen ihre Entmündigung als Mütter (…), schreibt Christa Mulack in ihrem Buch „Der Mutterschaftsbetrug“. Wir erfuhren von einem Fall, der viele Fragen zum Entscheidungsrecht der Mütter und zu ihrer Existenzsicherung wie einem bedingungslosen Müttereinkommen aufwirft. 

 

Die Klavierlehrerin Julia Brandenburg*, Mutter von zwei Kindern, erzählte uns, wie sie in der „Ämtermühle“ zermürbt wurde. „Aus Gründen der Sicherheit wollte ich keinen Unterhalt vom Vater meines Kindes einfordern. Doch da ich nicht reich bin, musste ich Hartz 4 beantragen. Die Sachbearbeiterin wollte unbedingt den Namen des Vaters wissen und stellte mir peinliche Fragen zur Zeugung meines Kindes. Ich dachte, dies sei meine Privatangelegenheit und ich bräuchte diese Angaben nicht zu machen. Weit gefehlt. Die Sozialleistungen wurden eingestellt, ohne uns rechtzeitig zu informieren.

Ich merkte es, als meine 12jährige Tochter vom Zahnarzt wieder nach Hause geschickt wurde, da mit der Versicherungskarte etwas nicht stimmte. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass die ganze Familie unversichert war. Einen Vorsorgetermin für das Baby musste ich absagen. Erst nach Wochen zahlte das Amt unsere Krankenversicherung wieder. Eines Tages standen Kontrolleure vor der Tür und wollten wissen, wo sich der Kindesvater versteckt. Eine demütigende Hausdurchsuchung folgte. Immer wieder wiesen sie mich daraufhin, dass ich mich strafbar machen würde, wenn ich nicht endlich mit dem Namen des Vaters herausrückte. Nach ein paar Monaten Nervenkrieg gab ich auf. Als nächstes sollte ich eine Vaterschaftsanerkennung unterschreiben. „Diese Unterschrift kann die Sicherheit von mir und meinen Kindern gefährden“, sagte ich. Die Sachbearbeiterin erklärte mir, dass mir wieder das Geld gestrichen würde, falls ich nicht unterschreibe. Ich tat es unter Zwang.“

Julia schildert, wie sie am Ende die Nerven verlor: „Das Sozialamt setzte sich mit dem Vater in Verbindung, um bei ihm den Kindesunterhalt einzufordern. Dieser bedrohte daraufhin mich - wie ich vorhergesehen hatte. Ich beschloss, ganz auf das Geld zu verzichten. Den Unterhaltsvorschuss, den ich vom Jugendamt für mein Kind erhielt, wollte ich zurück überweisen. Frau G. meinte dazu nur schnippisch: „Von Ihnen wollen wir das Geld nicht.“ Da fing ich aus lauter Verzweiflung an zu schreien, sie sollten mich endlich in Ruhe lassen. Die Reaktion von Frau G. übertraf alles. Sie ließ die Polizei wegen meines angeblichen Angriffs rufen.

Obwohl die Polizisten bei ihr keine Verletzungen feststellten, ließ sie sich nach dem Vorfall krankschreiben und zeigte mich an. Es kam zum Gerichtsverfahren. Der Richter hinterfragte nicht, warum die Situation eskaliert war. Ich hatte das Gefühl, er behandelte mich wie eine Verbrecherin, als er sagte: „Ich werde ein Exempel an Ihnen statuieren.“ Dann verurteilte er mich zu 10 Monaten Gefängnis ohne Bewährung. In der zweiten Instanz wurde mein Urteil in eine achtmonatige Bewährungsstrafe umgewandelt. An Frau G. musste ich 2500 Euro zahlen. Damit war ich vorbestraft. Zusätzlich zahlte ich noch jahrelang die Anwaltskosten der Gegenseite ab.“ Nach dieser Katastrophe kann Julia jeder Frau nur raten: Niemals alleine zu wichtigen Behördenterminen gehen. Frauenberatungsstellen können darauf vorbereiten und vermitteln Begleiterinnen für Behördengänge.
 
Exkurs
Für den Beweis einer Vaterschaft konnte bis heute kein biologisch-, medizinisch–wissenschaftliches Beweisverfahren entwickelt werden. Ersatzweise kommen deshalb die DNA-Untersuchungen zur Anwendung. Im Roche Medizin-Lexikon heißt es zur „Vaterschaftsausschlusschance", der Vaterschaftsnachweis sei nur als statistische Wahrscheinlichkeitsaussage möglich.
 
* Namen von der Redaktion geändert/JB/UF/Fotos: CG