Mit guten Ohren zum Erfolg

Prof. Stephan Haack ist stellvertretender Solocellist bei den Münchner Philharmonikern, Professor an der Musikhochschule Detmold und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik und Theater München. Er unterrichtet Kinder ab etwa 12 Jahren. Prof. Stephan Haack stammt aus einer alten Musikerfamilie. Als 6jähriger bekam er Klavierunterricht, bevor er von seinem Vater, damals ebenfalls Solocellist, Cellounterricht erhielt. Mit seiner Ehefrau Prof. Michaela Pühn, der renommierten Pianistin und Professorin für Klavier an der Hochschule für Musik und Theater München, lebt Stephan Haack in München. Das Interview mit Stephan Haack führte Ursula Fournier. 

 

Herr Prof. Haack, Musik hat in Ihrer Familie eine lange Tradition. Wann war es für Sie klar, dass auch Sie eine musikalische Laufbahn einschlagen werden?

Dieser Wunsch entwickelte sich etwa im Alter von 14 Jahren. Für mich war von Kindesbeinen an die Mischung aus Musik und Sport immer sehr wichtig. Natürlich gehörte Musik – und speziell das Cello - durch das tägliche Üben meines Vaters und unendlicher Konzerte und Hauskonzerte zu meinem Alltag, aber ich liebte es als Kind mindestens genauso, neben dem Klavier- und später Celloüben, Fußball und Tennis zu spielen. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, Fußballer zu werden, da ich im Verein und Auswahlmannschaften relativ erfolgreich war. Aber mit  ca.14 setzte sich dann doch eindeutig die musikalische Begabung durch.

 

Sie selbst erhielten erst Klavierunterricht, bevor Sie mit dem Cello anfingen. Können Kinder mit Streichinstrumenten generell erst später anfangen?

Generell würde ich nicht sagen. Wenn der Wunsch vom Kind ausgeht, unbedingt ein Streichinstrument spielen zu wollen, soll es auch früh damit anfangen, zumal z. B. die kleinen Finger eines 4 - 5jährigen Kindes durchaus besser mit einer kleinen Geige zurecht kommen können, als mit den Tasten eines normal großen Klaviers. Ansonsten halte ich es für sinnvoll, mit dem Klavier zu beginnen, da sich das kindliche Ohr hier auf klare und saubere Töne einstellen kann, was sich dann später beim Streichinstrument positiv auf die Intonation auswirken kann.

 

Ein Streichinstrument klingt ja bei einem Anfänger nicht unbedingt gleich schön. Wie erkennen Eltern, ob ihr Kind eine Begabung für das Streichinstrument hat?

Ich erlebe immer wieder, wie unterschiedlich Kinder, die schon 1 bis 2 Jahre Cello spielen, mit dem Instrument umgehen. Die begabteren spüren ganz schnell, wie sie das (für Eltern und Nachbarn) lästige „Kratzen“ abstellen, weil sie ein natürliches Klangempfinden und dadurch ein Gespür für die Handhabung des Bogens haben. Ebenso verhält es sich mit der Intonation. Wer nach 1 - 2 Jahren noch nicht hört, ob ein Ton sauber getroffen ist, sollte vom Lehrer darauf hingewiesen worden sein, dass es vielleicht doch nicht die richtige Instrumentengattung ist.

 

Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis sich erste Erfolge in Sachen „Hörgenuss“ einstellen?

Je nach Begabung kann man bereits nach ca. einem halben Jahr Unterricht die Eltern, Omas und Opas mit leichten Stückchen überraschen, die sich in der ersten Lage abspielen und natürlich auch noch nicht mit Vibrato „veredelt“ sind.

 

Welche Übezeiten sind bei den Streichinstrumenten empfehlenswert, damit das Kind Fortschritte macht?

Bei einem ca. 6jährigen Kind sollten 20 - 30 Minuten reichen. Wichtig ist hier einfach die Regelmäßigkeit des Übens, damit sich Fortschritte einstellen. Ab 12 Jahren ist alles unter 45 - 60 Minuten zu wenig. Letzten Endes muss der Lehrer sofort beginnen, dem Kind richtiges Üben beizubringen. Mein Motto hieß schon immer: Lieber eine Stunde gut und effektiv geübt, als zwei ohne Sinn und Verstand!

 

Wie finden die Eltern eine gute Lehrerin oder einen guten Lehrer?

Das funktioniert im Bereich des privaten Unterrichts in der Regel über das „Hörensagen“. Jemand kennt jemanden, der jemanden kennt. Gerade in München gibt es sehr viele Privatlehrer, die sich einen guten Namen gemacht haben. Aber auch über die Musikschulen kommt man an gute Lehrer. Egal ob Privatunterricht oder öffentliche Musikschule, da es sich immer um Einzelunterricht handelt, ist die „Chemie“, also das persönliche Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler, besonders wichtig. Wenn das nicht funktioniert, dürfen sich Eltern nicht scheuen, den Lehrer zu wechseln.

 

Wo können sich Eltern über ein gutes Instrument beraten lassen?

Entweder lassen sich die Eltern vom Lehrer oder von einem Geigenbauer beraten.

 

Wenn ein Kind mit dem Cello beginnt, ist es ja noch nicht sicher, ob es dabei bleibt. Dann ist es eine teure Investition, wenn Eltern zum Beispiel gleich ein kostbares Cello anschaffen müssen. Gibt es Alternativen für die Anfangszeit?

Gerade am Anfang, wenn noch gar nicht feststeht, ob die Geige oder das Cello wirklich das richtige Instrument ist, sollte man dieses beim Geigenbauer leihen. Diese Kosten sind in der Regel sehr moderat. Außerdem fängt man ja je nach Alter erst mit einem viertel-, halben-, oder dreiviertel Cello/Geige an. Und das tauscht man dann einfach beim Geigenbauer aus. Erst wenn ein Kind so groß ist, dass es ein ganzes Instrument spielen kann, sollte man über eine Anschaffung nachdenken. Und da entscheidet schlicht und einfach der Geldbeutel der (Groß)Eltern.

 

Oftmals wird in Schulen Gruppenunterricht für ein Instrument angeboten, der kostengünstiger ist. Ist das bei einem Streichinstrument sinnvoll?

Obwohl die berühmte Suzuki Methode aus Japan sicher auch Erfolg hat, bin ich strikt gegen diesen Gruppenunterricht! Ein Musikinstrument zu erlernen ist eine so spezielle und individuelle Sache, dass es wesentlich effektiver ist, mit seinem Lehrer unter vier Augen und Ohren alleine zu sein! Nichts ist lästiger für ein begabteres Kind, wenn es im Gruppenunterricht auf ein schwächeres warten muss. Und letztendlich kommt auch dieses schwächere Kind schneller voran, wenn sich ein Lehrer ausschließlich auf dieses konzentrieren kann. Übrigens braucht man nicht unbedingt Angst davor zu haben, dass Privatunterricht teurer sein muss. Hier könnten sich Eltern z. B. an den Verband Münchner Tonkünstler wenden.

 

Sollten die Kinder frühzeitig im Schulorchester mit spielen?

Sobald ein Kind ein gewisses technisches Niveau erreicht hat, dass ihm  erlaubt, leichte Orchester-oder Kammermusik zu spielen, sollte es unbedingt mit dem gemeinsamen Musizieren beginnen. Egal ob im Schulorchester oder mit Trios oder Quartetten. Neben dem Üben im stillen Kämmerlein ist doch das Wichtigste, sein Ohr für das musikalische Miteinander zu öffnen und zu trainieren. Hierfür werden auch immer wieder Kammermusikkurse für alle Altersstufen angeboten, die von Schülern immer wieder begeistert angenommen werden.

 

Für viele Erwachsene ist eine Musikerkarriere ein „Traumberuf“ und sie wünschen sich diesen Erfolg für ihr eigenes Kind. Wie sehen Sie diese Haltung?

Das dürfen sich diese Eltern ruhig wünschen, weil es tatsächlich ein Traumberuf ist. Nur hilft das herzlich wenig, weil ausschließlich in ihrem Kind im Laufe seiner Ausbildung dieser Entschluss  heranreifen muss. Alles andere wäre „Tenniseltern“- Gehabe, wovon ich natürlich absolut nichts halte.

 

Wie sind die Berufsaussichten für Streicher?

Wie in jedem anderen Beruf auch. Wer gut ist, setzt sich durch. Es gibt allerdings bei Orchesterstreichern zwei Kategorien. Einmal die, die unbedingt ins Orchester wollen, aber nicht so gerne solistisch spielen wollen, also ins Tutti gehen und nicht etwa Konzertmeister oder Solocellist werden wollen. Oder eben anders herum. Über die ca. 2 Prozent, die später als Solist durch die Welt reisen, brauchen wir hier aber sicher nicht zu reden.

 

In einem Fernsehbericht hörte ich eine Geigerin über Rückenprobleme aufgrund der Körperhaltung beim Spielen klagen. Sie erzählte, sie bräuchte häufig Massagen. Müssen sich Mütter hier Sorgen machen?

Wenn bei einem Kind bereits Schmerzen auftreten, dann stimmt mit der Instrumentenhaltung, sprich Ausbildung, etwas nicht. Oder das Kind hat grundsätzlich ein Rückenproblem, was mit dem Instrument dann nur bedingt etwas zu tun hat. Wenn allerdings ein Musiker nach 25 Dienstjahren Massagen braucht, was gerade bei Geigern öfters vorkommt, könnte ich das verstehen.

Welchen Ausgleichssport können Kinder zur Vorbeugung und Stärkung der beanspruchten Muskeln betreiben?
Wie bereits erwähnt, ich liebe Sport und halte diesen Ausgleich für Kinder für enorm wichtig. Im Grunde ist jeder Sport gut, den das jeweilige Kind gerne ausüben möchte, wobei es natürlich auch verletzungsanfällige Sportarten wie Fußball gibt. (Ungern erinnere ich mich hier an einen Arm- und einen doppelten Beinbruch.) Aber der gesündeste Ausgleichssport für Musiker ist und bleibt einfach das Schwimmen! 

Herr Prof. Haack, ich bedanke mich sehr herzlich für das informative Gespräch und wünsche Ihnen noch viel Freude und Erfolg in Ihrem schönen Beruf. 

UF/Foto: mit freundlicher Genehmigung von Prof. Stephan Haack
Das Interview zum Klavierunterricht mit Prof. Michaela Pühn finden Sie hier.