Maßgeschneiderter Arbeitsplatz für Mütter

Sina Brübach-Schlickum ist promovierte Sozialwissenschaftlerin, mit ihren drei Kindern sehr glücklich und hatte vom Home-Office die Nase voll. Mit viel unternehmerischem Herz und Verstand eröffnete sie am 1. Mai 2010 das Combinat 56, einen erfolgreichen Coworking-Space mitten in Münchens Vorzeigeviertel am Ackermannbogen. Ursula Fournier sprach mit Sina Brübach-Schlickum über die Vorteile, die das Coworking besonders auch Müttern bieten kann.

Sina, du beschreibst deine Situation als selbständig und von zu Hause aus arbeitende Mutter so: „Das Home-Office drohte in Einsamkeit und Haushaltsersatzleistungen zu versinken, Wertschätzung und der nötige Platz fehlten und ich hatte nie „Feierabend“.“ Vorab: Was sind denn „Haushaltsersatzleistungen“?

Alles, was man neben seiner Arbeit im Haushalt so „dazwischen“ macht: Die Geschirrspülmaschine ausräumen oder Wäsche waschen. Das lenkt ständig von der Arbeit ab, weil man denkt, ach, das könnte ich jetzt mal schnell noch machen. Oder wenn jemand privat anruft, weil er denkt, man ist ja zu Hause und hat Zeit.

 

Dann hast dich auf die Suche nach einer flexiblen Bürogemeinschaft gemacht. Vergeblich. Wie entstand die Idee zum Coworking?

Drei Dinge waren für mich wichtig: Erstens wollte ich kein Mietrisiko eingehen. Zweitens sollte das Büro nicht so oft leer stehen, wenn ich 16 Uhr den Stift fallen lasse, um meine Kinder abzuholen. Drittens wollte ich nicht wie im Home Office immer alleine arbeiten. Aber in München gab es noch keine flexible Desk-Sharing-Möglichkeit. Mein Mann erzählte mir dann, dass es in Berlin bereits einen „Co-Working-Space“, das „Betahaus“, gab. Ich recherchierte und war danach von der Idee so überzeugt, dass ich sie hier umsetzte.

 

„Wer nicht kann, der will nicht“, ist dein Leitmotiv. Was bedeutet es dir?

Ich mag nicht jammern und dann aber nichts ändern. Ich glaube, wenn ich etwas wirklich will, dann kann ich es auch schaffen. Im Moment habe ich diesen Spruch allerdings für mich weiterentwickelt und denke, ich muss nicht immer alles wollen, was ich kann, weil ich mir dann oft zuviel auflade.

 

Für viele Mütter liegt der Hemmschuh eher darin, dass sie über kein Startkapital verfügen und keine finanzielle Unterstützung für Projekte bekommen?

Klar. Mein Leitmotiv bezieht sich auf die innere Haltung.

Was hat es mit dem Namen „Combinat 56“ auf sich?
Ein Kombinat war in der ehemaligen DDR ein Zusammenschluss von kleinen Betrieben, die gemeinsame Ressourcen nutzen. Diesen Leitgedanken greifen wir auf, weil im Combinat Freiberufler und Selbständige gemeinsam ein professionell ausgestattetes Büro nutzen. Der Drucker, die Kaffeemaschine, alles wird geteilt. Silben wie „com“ stehen auch für „communication“, „bi“ für beide Geschlechter, oder „nat“ für natürlich und nachhaltig. Wir verwenden zum Beispiel Recycling-Papier und beziehen Ökostrom.
 
Vor der Gründung haben dich Katharina Wildemann und ChristinaSchepper-Bonnet unterstützt?
Ja. Sie haben mich am Anfang sehr bestärkt und viele Ideen mitgesponnen. Beide sahen ebenfalls eine Chance darin, nicht alleine sondern in einer Art Community zu arbeiten, wo man sich in Austausch begibt und gegenseitig „befruchtet“.
 
Was mir sehr positiv auffiel: Du stellst dich und andere Frauen aus dem Combinat auch als Mütter vor?
Mutter zu sein kann uns stolz machen. Im Combinat arbeiten viele Mütter mit vielen Kindern. Ich selbst habe drei. Mit jedem Kind habe ich viel Lebensenergie dazu gewonnen. Als ich mein erstes Kind bekommen hatte, habe ich promoviert. Nach dem zweiten habe ich mich als Marktforscherin selbständig gemacht und beim dritten das Coworking-Projekt realisiert. Durch meine Kinder habe ich gelernt, mich selbst zu organisieren und effizienter zu arbeiten.
Schön, dass die Mütter im Combinat ihre Kinder nicht „verstecken“ müssen wie an manch anderen Arbeitsstellen.
Im Gegenteil: Kinder schulen uns derart, als Mutter in viel kürzerer Zeit viel mehr zu leisten.

Mütter sind aber auch gezwungen, in kürzerer Zeit viel mehr zu schaffen, weil ihre Arbeitszeit als Mutter nicht bezahlt wird.
Ja, ohne Kindergarten und Hort würde ich meine Berufstätigkeit auch nicht schaffen. Es ist schön, wenn man seine Kinder in den ersten Lebensjahren ganztägig selbst betreuen kann, aber wenn man danach wieder zusätzlich arbeiten möchte, müssen die Rahmenbedingungen stimmen.
 
Du kennst die Situation von Müttern aus eigener Erfahrung. Coworking ist das erste Arbeitsplatzmodell, das sich dem Arbeitsrhythmus von Müttern anpasst und nicht umgekehrt? 
Ja, hier kann man sich den Arbeitsplatz nach dem individuellen Tagesablauf mieten. Ich kann zu flexiblen Zeiten kommen und bezahle den Platz nur solange, wie ich ihn nutze. 

Das Combinat ist ganz anders gestaltet, als wir es von Standardbüros gewohnt sind. Gleichzeitig bietet es topmodernen technischen Standard. Du legst viel Wert auf Atmosphäre. Das Combinat hat „Flair“. Was ist dein Stil? 
Ich schaffe eine professionelle Arbeitsatmosphäre mit ergonomischen Möbeln, an und auf denen man gerne und gut sitzt. Bei uns gibt es markante Farbe, viele schöne Accessoires wie eine alte Schreibmaschine, alte Telefone oder Lampen aus den fünfziger Jahren, die ich auf Flohmärkten finde. Wir haben viele gemütliche Ecken zum Kaffeetrinken mit Sitzsäcken oder Sesseln zum Entspannen, um den aktiven Austausch untereinander zu fördern.

 

Und das Combinat 56 ist expandiert?
Ich habe die benachbarte Erdgeschossfläche dazu gemietet. Sie bietet neben den bereits vorhandenen 18 Schreibtischen nun noch mal 12 Arbeitsplätze, ein Einzelbüro, eine schallgeschützte Telefonzelle, wo auch länger vom Festnetz aus telefoniert werden kann, und einen Veranstaltungsraum mit separater Teeküche. Durch die zweite Fläche gibt es immer genug Platz für die Monatsmieter und die Tages- oder Halbtagesplätze. Der neue Bereich ist auch für Teamarbeit bestens geeignet, weil die Gegebenheiten zur Kommunikation anregen.

Das Combinat 56 ist aber viel mehr als ein flexibler Arbeitsort?
Es geht um mehr, als einen Schreibtisch zu mieten: Den Austausch beim Kaffee in der Küche, das Miteinander beim „Betriebssport“, bei gemeinsamen Ausflügen oder Geburtstagsfeiern. Ein Einzelunternehmer im Home Office hat das alles nicht. Einmal sagte jemand zu mir: „Sina, sieh zu, dass du nicht mehr so interessante Leute hier rein lässt, ich komme gar nicht mehr zum Arbeiten.“ Ein schönes Kompliment für mich! Das Combinat lebt vom gegenseitigen Austausch. Daraus entstehen neue Projekte und geschäftliche Partnerschaften. Es gibt kein Konkurrenzverhalten. Selbst wenn zwei in der gleichen Branche arbeiten, ergänzen sie sich eher und unterstützen sich. Auch das ist ein schöner Nebeneffekt.
Was sind deine Zukunftsträume als Mutter und Unternehmerin?
Ich hoffe, dass ich immer alles gut „unter einen Hut bekomme“ und alles rund läuft, denn ich bin sowohl beruflich als auch privat ein großer „Harmoniemensch“. Ein weiterer Wunsch ist, dass die Familie und ich dauerhaft bei guter Gesundheit bleiben. Was die Expansionspläne angeht: Mal sehen. Wenn mich etwas fasziniert, packe ich es an. Aber manchmal muss ich mich selbst bremsen, weil der Tag nur 24 Stunden hat.
 
Sina, ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und kreative Kraft für dein Lebensmodell als coworkende Mutter. Toll, welche Chancen du damit auch für andere Frauen eröffnest

 

Weitere Informationen unter www.combinat56.de

UF/Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Dr. Sina Brübach-Schlickum