Lieder für die Mütter

Ich hatte das große Vergnügen, diese wunderschöne, einmalige Frau und Mutter kennenzulernen. Am 22. April 2011 während ihrer Tournee durch Deutschland und Belgien hörte ich ihre zu Herzen gehende Stimme. Ihre positive Energie und innere Stärke berührten mich. Sie heißt Rosa Zaragoza. Die Karriere der Sängerin begann 1984. Sie machte die einzigen überlieferten jüdisch-katalanischen Lieder nach fünf Jahrhunderten wieder bekannt, vor allem in Israel, New York und Europa. Später flossen die drei Kulturen der iberischen Halbinsel in ihre spirituellen Lieder ein: Die jüdische, muslimische und christliche Religion. Sie sang diese Lieder, um sich wieder mit ihren mediterranen Wurzeln zu verbinden. Und sie singt Lieder für Frauen und Mütter. Das Interview mit Rosa Zaragoza führte Maria Luisa Dominguez Pérez.

 

Rosa, du hast vier Wochen in Deutschland und Belgien verbracht. Welche Erfahrungen hast du dort gemacht?

Meine Begegnung als mediterrane Frau mit den Deutschen war wie immer sehr bereichernd. Ich hoffe, es war für sie genauso.

Glaubst du, dass die Leute deine Lieder verstehen und dass Musik und Kultur etwas Universelles sind?

Ja, ich glaube schon. Es gibt universelle Prinzipien wie das Gute, Schönheit und Wahrheit. Worum es mir geht, ist der Kontakt mit Menschen, die im Herzen von meiner Musik berührt werden. Manche Leute sagen mir, dass sie zwar nichts verstanden haben, aber meine Musik sie tief berührt hat.

 

In deinen Liedern hebst du die Frau und ihre Verbundenheit mit Mutter Erde hervor. Versuchst du, die natürliche Göttlichkeit des Weiblichen wieder herzustellen?

Ich glaube, dass sowohl Frauen als auch Männer etwas Göttliches in ihrem Inneren haben. Aber Frauen scheinen mehr Interesse zu haben, sich damit zu verbinden. Wir Frauen sind von Natur aus wild und haben eine gute Beziehung zur Erde. Wir sind Säugetiere und wenn wir gebären oder stillen, sind wir sehr stark. In diesem Sinne sind wir der Erde nahe und von Natur aus mit dem Heiligen verbunden.

Glaubst du, dass man das patriarchale System hinsichtlich Struktur, Politik oder Religion ändern müsste?

Früher spielte die Religion eine große Rolle. Ich glaube, sie enthielt eine umfassendere Spiritualität, die einschließt und nicht trennt. Ich würde gerne wieder eine mütterliche Gesellschaft haben, aber nicht in der Form, dass die Frauen den Männern befehlen, sondern in der Hinsicht, dass die Frauen entscheiden können, ob sie Kinder wollen oder nicht und dann höchsten Respekt erfahren, wenn sie die Kinder aufziehen und dafür soviel Zeit haben, wie ihre Kinder benötigen.

Heute hat es eine Frau, die ein Kind großziehen will, wegen ihrer Berufstätigkeit sehr schwer. Trotzdem fühlen viele Frauen, dass es das Beste ist, natürlich zu gebären, zu stillen, anfangs mit dem Säugling zusammen zu schlafen und, wie in anderen Zeiten, viel mit ihren Kinder gemeinsam zu machen. Vor allem wollen sie gute Mütter sein. Doch das hat sich inzwischen enorm verändert. Jetzt gibt man dem Säugling vier Wochen, die seine Mutter bei ihm ist, dann muss sie wieder arbeiten gehen. Sie fühlt sich bedroht, wenn sie drei Jahre bei ihrem Kind bleiben und nicht arbeiten will. Das ist sehr hart. Dabei ist es doch so wichtig, die Mutterschaft zu schützen. Das wäre die Aufgabe der Gesellschaft! Leider leben wir in einem Patriarchat  und das ist sehr traurig. Ich liebe Männer, die ihre Macht in den Dienst der Liebe stellen. In einem der Lieder auf der neuen CD heißt es: „Die Männer, die ihre Frauen lieben, stellen ihre Macht in den Dienst der Liebe.“ Männer sollten ihre Macht nicht dazu benutzen, sich über die Frauen zu stellen oder sich als wichtiger zu betrachten oder ähnliches.
  
Es macht keinen Unterschied, ob eine Frau ein Land regiert, denn unsere Politikerinnen sind „Frauen mit Männerköpfen“.
Unsere hier sind genauso.

Rosa, du leitest auch Gesangs-Workshops und erzählst Geschichten aus unterschiedlichen Kulturen, die du auch in deinen Liedern aufgreifst. Sie handeln von der Misshandlung und Ablehnung der Frau durch den Mann. Sollen die Frauen ihre Geschichte besser verstehen lernen? Du erklärst sie zum Beispiel in dem Lied „Im roten Zelt“ – in dem es um das Gebären geht.
Ja, es handelt von einem Ort, an dem Frauen zusammenkamen. Heute bilden immer mehr Frauen Kreise. Aber sie haben die Orte völlig vergessen, wo sie sich in einer sehr authentischen Art mit dem Herzen verbinden, ihre Gefühle ausdrücken sich gegenseitig unterstützen können.
In meinen Workshops, die überwiegend von Frauen besucht werden, erzähle ich den Frauen diese Geschichten. Doch meine Workshops sind auch für Männer offen. Diesen Sommer haben sich viele Männer zusammen mit ihren Frauen angemeldet. Meist sind es Väter, die auch an ihrer weiblichen Seite arbeiten. In meinen  Workshops baue ich Kraft der Frauen im Kreis auf, indem die rechte Hirnhälfte angeregt wird durch Singen, Tanzen, gegenseitige Unterstützung, einander Zuhören – oder Märchen.  
Ein Märchen berührt mich sehr stark. Es heißt „Das Mädchen ohne Hände“. Als ich es las, war ich vierzig Jahre alt. Ich kannte es bis dahin noch nicht. Wie kann es sein, dass Frauen es nicht kennen? Ich fing an, ihnen das Märchen mit Hilfe von Liedern zu erklären. Das mache ich immer noch, denn es ist sehr wichtig.

Herzlichen Dank, Rosa, für dieses optimistische Gespräch. 

MLDP/UF/Fotos: Portrait/Video mit freundlicher Genehmigung von Rosa Zaragoza; unten CF 

Wir danken Dr. Margot Ippen für ihre Unterstützung bei Übersetzung des Interviews. 

Weitere Informationen finden Sie unter www.rosazaragoza.org 

Sabemos parir  - Wir wissen, wie man gebärt

 

Fühle, daß der Augenblick kommt.

Fühle: deine Knochen sind stark.

Fühle: wir helfen.

Das Göttliche ist bei dir.

Fühle: das Kind ist an der Tür.

Es wird leben, um dich zu umarmen.

Fühle: du bist in guten Händen

und bist Teil der Erde.

Du hast was du brauchst,

Mutter von uns allen.

 

Inspiriert von einem Gedicht aus dem Buch „La tienda roja“ (Das rote Zelt) von Anita Diamant, Musik nach einem tibetanischen Mantra