Die Wirtschaftspolitik (miss-)braucht die Ur- und Frühgeschichte, hat Gabriele Uhlmann herausgefunden. Die Forscherin, Autorin, Webdesignerin und Mutter von zwei Kindern ist verheiratet und lebt in Braunschweig. Sie hat an Ausgrabungen in Deutschland teilgenommen und befasst sich seit vielen Jahren umfangreich mit der neolithischen Grabungsstätte Çatal Höyük in Anatolien.
Die Steinzeit erscheint mal witzig mal romantisch und je nach Bedarf auch als hoffnungslos rückständig, jedoch nie als das, was sie wirklich war. Noch bis in die 80er-Jahre bediente die Archäologie die patriarchalen Klischees, wie ein Blick in die alten Schulbücher beweist. Dort sind die Urmenschen männliche Höhlenbewohner, die sich Faustkeile zurecht hauen und geheimnisvollen Jagdzauber betreiben. Frauen und Kinder kommen nur am Rande vor.Weil aber die archäologischen Funde dazu nicht passen, musste sich die Wissenschaft wohl oder übel von diesem Bild entfernen. Die Funde der letzten Jahrzehnte machen immer deutlicher, dass die Menschen die längste Zeit ihrer Geschichte ohne männliche Dominanz und patriarchale Werte auskamen, dabei als intelligente und soziale Wesen lebten und alle Naturkatastrophen überlebten.
Archäologie und Gender Studies
Die traditionelle Archäologie und die Geschlechterforschung, die sog. Gender Studies, haben sich nun zu einer Allianz zusammengefunden und verändern das überkommene Bild. In den vielen Ausstellungen zur Steinzeit, die derzeit von sich Reden machen, werden die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit sichtbar. Die Archäologie ist aber beileibe kein „Orchideenfach“, keine nutzlose Freizeitbeschäftigung für das Bildungsbürgertum und seine Kinder. Sie ersetzt mehr und mehr die Dogmen der christlichen Religion, mit deren Rückzug das Patriarchat in Gefahr geraten ist, und bildet die Basis der neoliberalen Ideologie, die unsere Europapolitik heute bestimmt. Denn jetzt wird die Steinzeit-Frau als Powerfrau, als Vollzeit-Jägerin und -Sammlerin, dargestellt, die dennoch als treue Ehefrau im Zelt ihres Gatten wohnt und nebenbei auch Mutter ist. Dem alten patriarchalen Bild wird also lediglich die Berufstätigkeit der Frau und Mutter hinzugefügt. Ansonsten bleibt alles beim Alten, denn die Lebensweise, bei der die Frau beim Ehemann wohnt, die sog. Patrilokalität, ist das Hauptmerkmal patriarchaler Gesellschaften. Die Steinzeit-Frau wünscht sich demnach angeblich auch nichts sehnlicher, als ihrem Gatten viele Kinder zu schenken trotz ihrer „Berufstätigkeit“. Über so etwas kann sich die Familienministerin nur freuen.Die Steinzeitler hätten daher „bestimmte ideologische Konzepte“, so der Gender-Spruch, nämlich die Mutter in Form von „Fruchtbarkeitsidolen überhöht“. Es erscheint widersprüchlich, dass die Gender Studies, die sich „feministisch“ geben, indirekt behaupten, es hätte ein altsteinzeitliches Muttertum gegeben.
Das politisch inkorrekte Problem, das die Gender Studies selbst produziert haben, glauben sie mit der Behauptung zu lösen, dass Menschenmütter schon immer ihre Babys
abgegeben hätten, jede andere Meinung sei „biologistisch“ und frauenfeindlich. Die Kinderfeindlichkeit der Gender Studies zeigt vor allem, dass der Feminismus nicht für alle Frauen gemacht
ist, sondern vor allem für solche, die keine Kinder haben und Karriere machen, also auch für die Vertreterinnen der Gender Studies selbst. Sie liefern die pseudowissenschaftliche Rechtfertigung
dafür, die Frau in die männliche Arbeitswelt einzupassen und schon die kleinsten Kinder dem Takt der allgemeinen Öffnungszeiten und dem Stress der Berufswelt anzupassen. Die Ur- und
Frühgeschichte dient somit auch der Verhortungspolitik, mit der Kinder dem Einfluss der Mutter entzogen und unter staatliche Obhut gestellt werden, was bekanntermaßen in totalitären Systemen
selbstverständlich ist.
Emotionale Intelligenz der Mütter als Wirtschaftsfaktor
Die Verhaltensforschung entdeckt gerade die überragende Bedeutung der Mutter für die menschliche Entwicklung, die bisher immer unterschätzt wurde. Der leibliche Vater eines Kindes, der aus diesen
biologischen Gründen über fast 200.000 Jahre unbekannt war, spielte in der mütterlichen Sippe keinerlei Rolle, war meist nicht einmal anwesend, sondern, wenn überhaupt, waren es die Brüder und
Cousins der Mutter, die das männliche Vorbild für die Kinder abgaben.Die Kommunikation zwischen Mutter und Kind ist durch die genetisch verankerten sog. „Soft Skills“ besonders wertvoll. Das sind
die weichen weiblichen Eigenschaften, die die Wirtschaft an Frauen neuerdings so schätzt und die sie jetzt für sich alleine ausnutzen will. Sie darf also „ biologistisch“ sein, die Gender Studies
drehen alles so, wie es ins System passt. Kinder sind eine lästige und teure Konkurrenz geworden. Nachweislich fördert und prägt eine gesunde Mutter Geist und Seele des Kindes besser als
jeder andere Mensch. Das Kind, das deshalb von Natur aus nur nach seiner Mutter ruft, wurde in der Steinzeit, wie jedes andere Kind in der Natur auch, nicht enttäuscht. Die Mutter trug die
kulturelle Tradition, sogar ihre Erfindung von Ackerbau und Viehzucht, noch bis in die Jungsteinzeit über die mütterliche Linie weiter, die über Jahrzehntausende das Überleben in einer intakten
Natur garantierte. Eingebettet in ihre mütterliche Sippe waren Mütter versorgt, unterstützt, geschützt und alles andere als Heimchen am Herd. Offenbar sind diese Entdeckungen nicht wie
archäologische Funde vielfältig interpretierbar, sondern sprechen eine eindeutige Sprache und bestätigen eindrucksvoll die Existenz der matrifokalen Urgeschichte.
Verschleierung weiblicher und mütterlicher Lebensmodelle
Für das Patriarchat ist das ein echtes Problem, das nur mit Ideologie verschleiert werden kann. Die letzten Überreste von Matrifokalität, die überall auf der Welt zu finden sind, müssen deshalb als Sonderfall der Völkerkunde hingestellt werden, als zirkusreife Sensation, die allenfalls touristisch interessant ist, getreu dem Motto: es kann nicht sein, was nicht sein darf. Insbesondere am Fund des jungsteinzeitlichen sog. Massakers von Talheim behauptet die Archäologie jetzt das „ewige Patriarchat“ beweisen zu können, – eine hanebüchene Behauptung. Wie eng Archäologie und Politik seit jeher zusammenhängen, ist erschreckend, erwarten wir doch von der Wissenschaft fundierte, wertneutrale Aufklärung. Verständlich wird diese Misere, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Archäologie von Menschen betrieben wird, die im patriarchalen System sozialisiert und ausgebildet wurden und Karriere machten. Das Patriarchat erforscht sich nicht selbst, weil es sich damit infrage stellen müsste.
Einstieg in eine nachpatriarchale Welt
So tappen die gesellschaftlichen Kräfte auch im Dunkeln, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, warum die Welt nicht zur Ruhe kommt, warum Kriege, Diktaturen, Hunger, religiöser Extremismus und Umweltzerstörung voranschreiten, trotz höherer Schulbildung, allgegenwärtiger Informationsflut und Feminismus.Das Patriarchat kann nicht abgeschafft werden durch die Berufstätigkeit der Frau allein, welche die europäische Politik derzeit für das Patentrezept gegen Frauen-, Mütter- und Kinderarmut hält. Überall auf der Welt, auch bei uns, arbeiten Frauen den ganzen Tag, dennoch leben sie unter patriarchaler Gewalt, erhalten nur einen Bruchteil des erwirtschafteten Geldes, dies oft noch mit schlechtem Gewissen, und haben vor allem keine Entscheidungsmacht über die Erziehung der Kinder.
Aufklärung über das Wesen des Patriarchats muss aber schon bei Kindern ansetzen. Dass staatliche Schulen und Horte dies nicht leisten wollen, liegt in der Natur der Sache. Eine Wiederbesinnung auf die mütterliche Linie, die auch den Männern nur Vorteile bringen würde und die sich in Europa heute schon im Rahmen der demokratischen Gesetze von jeder Frau umsetzen lässt, ist als Einstieg in eine nachpatriarchale Welt nur zu empfehlen.
Das Buch von Gabriele Uhlmann „Archäologie und Macht – Zur Instrumentalisierung der Ur- und Frühgeschichte“ ist bei Books on Demand erschienen (ISBN 978-3-84481-420-0).
GU/UF/Foto: mit freundlicher Genehmigung von Gabriele Uhlmann
Weitere Informationen finden Sie unter www.gabriele-uhlmann.de